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Fehler im Grundsteuerbescheid

  • Autorenbild: Eva Heinz-Zentgraf
    Eva Heinz-Zentgraf
  • 23. Okt.
  • 5 Min. Lesezeit
Jahressteuergesetz 2024 - Neuigkeiten

 


Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor: Der neue Grundsteuerbescheid liegt im Briefkasten. Und mit ihm kommt oft die Überraschung. 


Denn beim Blick auf den Betrag reibt man sich ungläubig die Augen: Die Summe, die künftig zu zahlen ist, liegt deutlich über dem, was man bisher gewohnt war. Empörung, Unverständnis und nicht selten auch ein Anflug von Panik machen sich breit.

 

Der erste Impuls liegt dann natürlich nahe:


„Das kann doch nicht stimmen! Da lege ich sofort Einspruch ein!“

 

Doch bevor Sie nun reflexartig zum Stift oder zur Tastatur greifen, lohnt sich ein prüfender Blick in die Tiefe, denn der Grundsteuerbescheid, den Sie in den Händen halten, ist nur das letzte Glied in einer längeren Kette.


Und genau hier liegt der Knackpunkt: Der eigentliche Fehler liegt häufig nicht im Bescheid der Kommune, sondern viel früher! Nämlich im sogenannten Feststellungsbescheid, dem sogenannten Grundlagenbescheid der Finanzverwaltung.



Die entscheidende Unterscheidung: Grundlagen- vs. Folgebescheide

 

Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, lassen Sie uns das Verfahren zur Grundsteuer einmal schematisch durchgehen. 

 

Die Bewertung eines Grundstücks erfolgt in drei Stufen:

 

  1. Feststellung des Grundsteuerwerts durch das Finanzamt. Dies erfolgt im Rahmen des Feststellungsbescheids auf den 01.01.2022.

  2. Anschließend wird der Grundsteuermessbetrag ermittelt, auch durch das Finanzamt.

  3. Erst im dritten Schritt erlässt die Kommune den eigentlichen Grundsteuerbescheid, indem sie auf den festgesetzten Messbetrag den Hebesatz aufschlägt.

 


Was bedeutet das konkret für Ihre Praxis?

 

Der Grundsteuerbescheid, der aktuell für so viel Aufregung sorgt, ist lediglich der Folgebescheid. Rechtlich gesehen kann er sich nicht über die Angaben aus dem vorherigen Feststellungs- und Messbescheid hinwegsetzen.


Ist einer dieser Grundlagenbescheide fehlerhaft, dann vererbt sich der Fehler bis in den Grundsteuerbescheid hinein. Und er lässt sich dort nicht mehr korrigieren.

 

Ein Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid wäre in solchen Fällen also verpuffte Energie – es sei denn, es handelt sich um Fehler, die erst im Bereich der Kommune (z. B. beim Hebesatz) passiert sind.

 


Der klassische Fall: Fehler im Feststellungsbescheid, den aber niemand rechtzeitig merkt

 

Die große Grundsteuerreform brachte 2022 eine Flut an neuen Feststellungsbescheiden mit sich. Diese Bescheide wurden von vielen Betroffenen allerdings eher stiefmütterlich behandelt. Es handelte sich (zumindest scheinbar) nur um reine Mitteilungen, ohne unmittelbare Zahlungswirkung.

 

Und hier liegt die Crux: Viele Grundstückseigentümer und sogar manche Berater haben diese Bescheide nicht sorgfältig überprüft. Oder sie haben es versäumt, innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach Bekanntgabe Einspruch einzulegen, obwohl bereits falsche Angaben oder Bewertungen enthalten waren, beispielsweise zur Grundstücksart, Nutzungsfläche, Wohnfläche oder Gebäudebestand.

 

Einige Jahre später (nun im Jahr 2025) flattert dann der Grundsteuerbescheid ins Haus und sorgt für Verwunderung.


Doch zu diesem Zeitpunkt ist der „Zug“ häufig schon abgefahren: Ist die Einspruchsfrist gegen den Feststellungsbescheid abgelaufen, kann ein Einspruch gegen den nachgelagerten Grundsteuerbescheid keine Heilung mehr bringen.

 


Was tun, wenn sich wirklich etwas geändert hat?

 

Nicht jeder Fehler hat seinen Ursprung in einem übersehenen Grundlagenbescheid. Häufig kommt es im Laufe der Jahre auch zu echten Veränderungen, etwa durch Anbauten, Neubauten, Nutzungsänderungen oder Eigentümerwechsel. Diese Änderungen müssen der Finanzverwaltung aktiv mitgeteilt werden, da sie zu einer sogenannten Fortschreibung führen.

 

Es gibt mehrere Arten solcher Fortschreibungen:

 

  1. Wertfortschreibung: Wenn sich der Wert der wirtschaftlichen Einheit um mehr als 15.000 € verändert, zum Beispiel durch einen Ausbau.

  2. Artfortschreibung: Wenn sich die Nutzungsart oder Art des Grundstücks änder, etwa bei Umwandlung eines Einfamilienhauses in ein Mehrfamilienhaus.

  3. Zurechnungsfortschreibung: Wenn sich die Eigentumsverhältnisse ändern, allerdings nur dann relevant, wenn damit auch wirtschaftliche Änderungen einhergehen.

  4. Nachfeststellung: Wenn eine wirtschaftliche Einheit neu entstanden ist, zum Beispiel bei einem Neubau auf bislang unbebautem Grundstück.

  5. Aufhebung: Wenn die wirtschaftliche Einheit nicht mehr besteht, etwa durch Abriss oder Zusammenlegung mehrerer Flurstücke.

 

Die Anzeigepflicht liegt grundsätzlich beim Steuerpflichtigen selbst. Laut § 228 Abs. 2 Satz 2 BewG muss eine Änderung bis spätestens 31. März des Folgejahres gemeldet werden. Erfolgt die Meldung nicht rechtzeitig, kann das Versäumnis sogar mit einem Verspätungszuschlag geahndet werden.

 


Zur besseren Orientierung finden Sie hier einige typische Beispiele dafür, wann welche Art der Fortschreibung erforderlich wird.

 

Bebauung eines Grundstücks ist der Fall für die Artfortschreibung

 

Wird auf einem bislang unbebauten Grundstück erstmals ein Gebäude errichtet – beispielsweise ein kleines Einfamilienhaus –, ändert sich damit die Art der wirtschaftlichen Einheit grundlegend.

 

Steuerlich betrachtet liegt nun kein unbebautes Grundstück mehr vor, sondern ein bebautes. Diese Veränderung führt zu einer sogenannten Artfortschreibung, da sich die Nutzungskategorie des Grundstücks ändert.


Eine entsprechende Anzeige muss beim Finanzamt erfolgen, damit der Grundsteuerwert korrekt angepasst werden kann, denn nur so ist sichergestellt, dass der neue Zustand auch steuerlich richtig erfasst wird.

 


Erweiterung vom Ein- zum Zweifamilienhaus: Die Art- oder Wertfortschreibung

 

Wenn ein bestehendes Einfamilienhaus baulich so erweitert wird, dass es künftig als Zweifamilienhaus genutzt werden kann, ändert sich damit auch die Art der Nutzung. Das kann eine sogenannte Artfortschreibung nach sich ziehen, weil sich die Art der wirtschaftlichen Einheit ändert, hier von einem Einfamilienhaus zu einem Zweifamilienhaus.

 

Zusätzlich kann es zu einer Wertfortschreibung kommen. Nämlich dann, wenn der durch die Erweiterung bedingte Wertzuwachs mehr als 15.000 Euro beträgt. In diesem Fall ist eine Meldung ans Finanzamt zwingend erforderlich, damit die Bewertung aktualisiert werden kann.

 


Umwandlung in Eigentumswohnungen: Die Wesensänderung

 

Wird ein bestehendes Haus so umgebaut oder umstrukturiert, dass es nicht mehr als eine Einheit genutzt wird, sondern in mehrere separate Eigentumswohnungen aufgeteilt wird (zum Beispiel in fünf einzelne Wohnungen), liegt eine sogenannte Wesensänderung vor.

 

Aus einem Ein- oder Zweifamilienhaus wird dann eine Wohnanlage mit mehreren selbstständigen Einheiten. In der Folge ist eine Artfortschreibung durchzuführen, da sich der Charakter (das „Wesen“) der wirtschaftlichen Einheit grundlegend verändert hat.

 


Eigentümerwechsel: Die Zurechnungsfortschreibung

 

Wenn eine Immobilie verkauft oder vererbt wird, geht das Eigentum an eine andere Person über. Steuerlich betrachtet bedeutet das eine Veränderung in der „Zurechnung“ – also der Zuordnung der wirtschaftlichen Einheit zu einer bestimmten Person.

 

In solchen Fällen wird vom Finanzamt automatisch eine Zurechnungsfortschreibung  vorgenommen. Diese ist nötig, damit künftig der richtige Eigentümer als Steuerpflichtiger erfasst wird.


Wichtig: Bei einem reinen Eigentümerwechsel, also ohne bauliche Veränderungen oder Nutzungsänderungen, ist in der Regel keine aktive Änderungsanzeige erforderlich, da die Finanzverwaltung diesen Vorgang von Amts wegen erfasst. Nur bei besonderen Fällen, z. B. bei Steuerbefreiungen, kann eine Anzeige durch den neuen Eigentümer notwendig sein.

 

Für die technische Abwicklung aller Änderungen steht ein entsprechendes Formular zur „Grundsteueränderungsanzeige“ auf www.elster.de bereit.

 


Was ist mit Einsprüchen gegen den Grundsteuerbescheid und wann sind sie sinnvoll?

 

Auch wenn der Fehler oft im Grundlagenbescheid steckt, gibt es dennoch Fälle, in denen ein Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid selbst sinnvoll oder sogar notwendig sein kann:

 

Wenn der kommunale Hebesatz fehlerhaft festgesetzt wurde

In diesem Fall liegt der Fehler tatsächlich im Zuständigkeitsbereich der Kommune. Dann ist der Grundsteuerbescheid direkt angreifbar.


Wenn Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Grundsteuerwerts bestehen

In einem solchen Fall kann ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) gestellt werden. Aber auch hier muss meist der Feststellungsbescheid angefochten werden.


Wenn ein Erlass oder eine Steuerermäßigung beantragt wurde, aber unberücksichtigt blieb

Etwa bei § 32 GrStG (Kulturgüter, Grünanlagen etc.) oder landesspezifischen Regelungen wie in Bayern (Art. 8 BayGrStG). Hier ist der richtige Adressat die Kommune und ein Einspruch gegen deren Bescheid kann zielführend sein. Vorausgesetzt, der Antrag wurde rechtzeitig gestellt.

 


Quintessenz

 

Die neue Grundsteuerreform bringt Bewegung, aber gleichzeitig auch Unsicherheit. Fehler im Grundsteuerbescheid sind auf den ersten Blick erschreckend, doch sie entstehen oft nicht dort, wo sie sichtbar werden. 

 

In der Praxis bedeutet das:

 

  • Prüfen Sie zuerst den Feststellungsbescheid – nicht nur den aktuellen Bescheid der Kommune.

  • Legen Sie Einspruch nur dort ein, wo er auch juristisch Wirkung entfalten kann – das heißt: beim Grundlagenbescheid, wenn dieser falsch ist.

  • Nutzen Sie Fortschreibungen aktiv, um echte Änderungen anzugeben und korrekte Werte zu gewährleisten.

  • Verpassen Sie keine Fristen, weder bei Einsprüchen noch bei Änderungsanzeigen!

  • Und: Behalten Sie die Ruhe. Nur wer die Struktur des Systems kennt, kann sich darin erfolgreich bewegen.

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