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Wie wollen wir Gesellschaft leben?

Autorenbild: Eva Heinz-ZentgrafEva Heinz-Zentgraf
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Es war ein ganz normaler Mittwochmittag im Schöntalpark in Aschaffenburg.


Familien spazierten, Kinder lachten, die Sonne schien durch die Bäume. Doch plötzlich riss ein schreckliches Ereignis diese Idylle auseinander: Ein Mann griff mit einem Messer eine Kindergruppe an. Ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann verloren dabei ihr Leben.

 

In solchen Momenten stockt uns der Atem. Wir fragen uns: Wie konnte das passieren?

Und warum?


Doch während wir nach Antworten suchen, dürfen wir nicht vergessen, was uns als Gesellschaft ausmacht: Mitgefühl, Zusammenhalt und die Anerkennung, dass wir alle Menschen sind – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion.

 

Es ist leicht, in solchen Zeiten in Schubladen zu denken, Vorurteile zu hegen oder gar ganze Bevölkerungsgruppen verantwortlich zu machen. Doch das wäre der falsche Weg. Probleme und Herausforderungen kennen keine Nationalität.


Sie sind Teil des Menschseins.

 

Zivilcourage – Mut in der Gefahr, ohne sich selbst zu gefährden

 

Es gibt Momente, in denen wir alle ins Wanken geraten. Momente, in denen wir uns fragen:


Soll ich eingreifen oder nicht?

Soll ich etwas sagen oder einfach weitergehen?

 

Das Attentat im Schöntalpark in Aschaffenburg war so ein Moment. Ein Augenblick, in dem ein Mensch den Mut hatte, sich einem Angreifer entgegenzustellen – und dabei sein eigenes Leben verlor. Kai-Uwe D. handelte instinktiv, schützte andere mit seinem Körper und zeigte damit eine der höchsten Formen der Zivilcourage.

 

Aber Zivilcourage bedeutet nicht immer, sich physisch in Gefahr zu bringen.


Es bedeutet, hinzusehen, zu handeln und Unrecht nicht stillschweigend hinzunehmen.

 

Mut zeigen – aber richtig!

 

Ich kenne es selbst: Mein Körper gibt mir nicht die Möglichkeit, mich aktiv gegen einen Angreifer zu stellen. Mit Osteogenesis imperfecta, dem Rollstuhl und knapp 38 kg Gewicht wäre das für mich keine Option.

 

Aber das heißt nicht, dass ich nichts tun kann!

 

Denn Zivilcourage hat viele Gesichter. Sie bedeutet nicht, sich selbst blind in Gefahr zu bringen, sondern klug und effektiv zu handeln.

 

Hier sind einige Dinge, die jeder von uns tun kann:

 

1. Hilfe holen – der wichtigste Schritt

 

Egal, ob durch einen Notruf oder das gezielte Ansprechen anderer Passanten – Hilfe rufen ist der erste und wichtigste Schritt. Viele Täter handeln, weil sie glauben, dass niemand reagiert. Doch sobald jemand eingreift – selbst „nur“ verbal –, kann das oft schon ausreichen, um sie zu stoppen.

 

  • Ruf die Polizei unter 110 an!

  • Sprich gezielt andere Menschen an! (z. B. „Sie mit der blauen Jacke, helfen Sie mir, Hilfe zu holen!“)

  • Mach Lärm! Schreien oder auf Gegenstände schlagen kann Aufmerksamkeit erregen und den Täter abschrecken.

 

2. Abstand halten, aber aufmerksam sein

 

Es ist wichtig, sich selbst nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Wer sieht, dass jemand angegriffen wird, sollte zunächst aus sicherer Entfernung beobachten und dann handeln.

 

  • Gibt es Fluchtmöglichkeiten für das Opfer?

  • Wie viele Täter sind es?

  • Könnte meine Einmischung die Lage verschlimmern?

 

Sich ein genaues Bild zu machen, ist entscheidend.

 

3. Opfer unterstützen

 

Manchmal ist das Schlimmste nicht die Tat selbst, sondern die Einsamkeit danach. Menschen, die angegriffen wurden, sind oft geschockt, ängstlich und fühlen sich allein. Auch hier kann jeder helfen:

 

  • Sprich mit dem Opfer: „Ich bin hier, Sie sind nicht allein.“

  • Biete Hilfe an: „Möchten Sie, dass ich jemanden anrufe?“

  • Gib Schutz: Falls möglich, begleite das Opfer an einen sicheren Ort.

 

4. Beweise sichern – Dokumentieren kann Leben retten

 

Heutzutage hat fast jeder ein Smartphone dabei. In brenzligen Situationen kann es helfen, das Geschehen zu filmen oder zumindest ein Foto vom Täter zu machen. Aber Vorsicht:

 

  • Nicht provozieren! Unauffällig filmen oder ein Foto machen, um der Polizei später Hinweise zu geben.

  • Nummernschilder, Kleidung, auffällige Merkmale merken!

 

Diese Informationen können helfen, Täter später zu identifizieren.

 

5. Niemals alleine eingreifen

 

Wenn man sich doch entscheidet, aktiv einzugreifen, dann möglichst nie alleine! Studien zeigen: Sobald eine zweite oder dritte Person mitmacht, sinkt die Gefahr für den Helfenden drastisch.

 

  • Versuche, andere zum Helfen zu bewegen.

  • Mach die Gruppe stark, dann ist das Risiko geringer.

 

„Das geht mich nichts an!“ – Doch, es geht uns alle etwas an!

 

Wir leben in einer Gesellschaft, die von Mitgefühl und Zusammenhalt getragen wird. Wegsehen bedeutet, Unrecht geschehen zu lassen.


Und ja, natürlich gibt es immer die Angst: Was, wenn ich mich in Gefahr bringe? Was, wenn der Täter mich angreift?

 

Deshalb ist der wichtigste Punkt bei Zivilcourage: Handeln, aber mit Verstand.

 

Denn auch wenn ich mich nicht direkt schützend vor ein Kind werfen kann, wie es Kai-Uwe D. getan hat – ich kann trotzdem helfen.


Und das kannst du auch.

 

Quintessenz: Jeder kann helfen – auf seine Weise!

 

Zivilcourage bedeutet nicht, ein Held mit Superkräften zu sein.


Es bedeutet nicht, sich blindlings in Gefahr zu stürzen.

 

Aber es bedeutet, nicht wegzusehen. Es bedeutet, Mensch zu sein.

 

Jeder kann etwas tun, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen:

 

Hilfe rufen – sofort und ohne Zögern.

Andere mobilisieren – gemeinsam ist man stärker.

Dokumentieren – damit Täter später zur Rechenschaft gezogen werden.

Opfer unterstützen – damit sie nicht allein sind.

 

Das Attentat im Schöntalpark war eine Tragödie. Doch wenn wir etwas daraus lernen können, dann dies: Jeder von uns kann einen Unterschied machen. Jeder von uns kann ein kleines Stück Mut zeigen – auf die Weise, die für ihn möglich ist.

 

Lasst uns eine Gesellschaft sein, die hinschaut.

Die handelt.

Die nicht vergisst.



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