Offene Forderungen
- Eva Heinz-Zentgraf

- 9. Okt.
- 4 Min. Lesezeit

Es ist eines der immer wiederkehrenden Probleme im Unternehmerallta und doch jedes Mal aufs Neue ärgerlich: Die Rechnung ist geschrieben, die Leistung erbracht, der Kunde bedankt sich freundlich.
Aber bezahlt wird… erstmal nicht 😤
Offene Forderungen sind kein Einzelfall, sondern eher der Klassiker in der Buchhaltung. Besonders ärgerlich wird’s dann, wenn das Geld nie kommt.
Denn nicht jede Forderung wird am Ende auch wirklich beglichen!
Und genau das stellt uns vor gleich mehrere Fragen:
Wie gehen wir damit um?
Wann sprechen wir von uneinbringlich?
Wie bewerten wir solche Forderungen korrekt in der Bilanz?
Und was sagt eigentlich das Finanzamt dazu?
Kurz: Forderungen können zum finanziellen Drahtseilakt werden. Sie sind auf dem Papier etwas wert und im schlimmsten Fall aber nur dort.
Deshalb lohnt es sich, einen genaueren Blick auf das Thema zu werfen: Von der Entstehung über die Bewertung bis hin zur Ausbuchung. Und das natürlich wie immer so, dass man’s auch versteht 🧐
Was sind Forderungen überhaupt und wo stehen sie in der Bilanz?
Forderungen entstehen, wenn ein Unternehmen eine Leistung erbringt, der Kunde aber noch nicht bezahlt hat. Juristisch betrachtet: Es besteht ein Anspruch auf Zahlung. Wirtschaftlich gesprochen: Wir haben Arbeit gemacht, aber noch keinen Cent gesehen.
In der Bilanz tauchen diese Forderungen auf der Aktivseite im Umlaufvermögen auf (§ 266 Abs. 2 B II HGB). Warum Umlaufvermögen? Weil sie nicht dauerhaft im Unternehmen verbleiben sollen, sondern sich – im Idealfall – bald in liquide Mittel verwandeln.
Bewertung von Forderungen: Zum Nennwert oder mit Abstrichen?
Die Grundregel zur Bewertung ist erst einmal einfach: Forderungen werden zum Nennwert angesetzt. Das ist der Betrag, der dem Unternehmen zusteht – also zum Beispiel die Summe auf der Rechnung.
Aber – und jetzt kommt das große aber: Nur, wenn wir auch davon ausgehen können, dass dieser Betrag vollständig einbringlich ist. Ist das nicht der Fall, müssen wir die Forderung abwerten. Denn sonst würden wir unser Unternehmen reicher darstellen, als es in Wirklichkeit ist – und das widerspricht dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB).
Uneinbringliche Forderungen
Manche Kunden zahlen einfach nicht. Und das nicht nur aus Schusseligkeit, sondern weil es schlicht nicht mehr geht – etwa bei Insolvenz oder wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos bleiben. Solche Forderungen gelten als uneinbringlich.
Was ist dann zu tun? Ganz klar: Eine vollständige Wertberichtigung ist notwendig. Und jetzt wird es auch umsatzsteuerlich spannend:
Denn gemäß § 17 UStG muss die zuvor abgeführte Umsatzsteuer wieder korrigiert werden. Schließlich haben wir einen Umsatz gemeldet, der nicht realisiert wurde.
Kleiner Praxis-Tipp: Wer jetzt nicht sauber arbeitet, zahlt Steuern auf Geld, das nie geflossen ist. Und das wäre doppelt ärgerlich.
Zweifelhafte Forderungen
Nicht alle Problemfälle sind gleich dramatisch. Manchmal steht der Kunde „nur“ auf der Kippe. Vielleicht hat er Zahlungsschwierigkeiten, aber noch keinen Insolvenzantrag gestellt. Solche Forderungen werden als zweifelhafte Forderungen bezeichnet.
Diese Fälle erfordern Fingerspitzengefühl – und vor allem: Einzelbewertung.
Wir prüfen also jede Forderung individuell:
Ist der Kunde (noch) zahlungsfähig?
Gibt es realistische Aussichten auf Zahlung?
Oder droht bald das gleiche Schicksal wie bei den uneinbringlichen Forderungen?
Wenn die Zahlungsfähigkeit des Kunden nicht mehr klar einzuschätzen ist, kann auch eine pauschale Wertberichtigung auf Basis historischer Ausfallquoten erfolgen – wieder unter Rückgriff auf § 252 Abs. 2 HGB(Grundsatz der Einzelbewertung, aber mit Öffnung für Vereinfachungen).
Weitere Faktoren für Wertminderungen (Skonti, Abzinsung & Co)
Selbst bei „gesunden“ Kunden kann es zu Abschlägen kommen:
Skonti: Werden bereits bei der Rechnungstellung berücksichtigt, sofern ein Rabatt bei schneller Zahlung eingeräumt wird.
Abzinsungen: Relevant bei langfristigen Forderungen – denn Geld, das ich heute bekomme, ist mehr wert als Geld in fünf Jahren.
Beitreibungskosten: Anwalt, Mahnverfahren, Gerichtskosten – all das senkt letztlich den wirtschaftlichen Wert der Forderung.
All diese Positionen fließen in die Bewertung ein – teils direkt, teils im Rahmen der Ermittlung des wahrscheinlichen Einbringlichkeitswerts.
Forderungen mit Sicherheitsnetz: Eigentumsvorbehalt und Delkredereversicherung
Einige Forderungen kommen nicht ganz schutzlos daher:
Forderungen unter Eigentumsvorbehalt: Hier bleibt das verkaufte Produkt bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum des Verkäufers. Das bietet ein gewisses Maß an Sicherheit – allerdings nur, solange die Ware nicht weiterverkauft oder verbraucht wurde.
Delkredereversicherung: Eine Art „Zahlungsausfall-Versicherung“, die im Ernstfall einspringt. Wichtig: Nur abgesicherte Forderungen sind hiervon umfasst. Und wie bei jeder Versicherung gilt: Was nicht richtig dokumentiert ist, wird im Zweifel nicht erstattet.
Die Maßgeblichkeit nicht vergessen!
Im Kontext der Bewertung von Forderungen gilt auch hier das Maßgeblichkeitsprinzip nach § 5 Abs. 1 EStG: Was in der Handelsbilanz als uneinbringlich oder zweifelhaft bewertet wurde, muss auch in der Steuerbilanz so angesetzt werden. Es sei denn, es gibt steuerrechtliche Sonderregelungen 😅
Quintessenz
Forderungen sind mehr als nur offene Rechnungen.
Sie sind potenzielles Kapital, aber auch ein Risiko.
Forderungen gehören ins Umlaufvermögen. Aber nur, wenn sie einbringlich sind.
Uneinbringliche Forderungen müssen vollständig abgeschrieben und die Umsatzsteuer korrigiert werden.
Zweifelhafte Forderungen brauchen Fingerspitzengefühl, denn Einzel- oder Pauschalbewertung entscheidet.
Auch Skonti, Beitreibungskosten und Versicherungen beeinflussen den Wert.
Wer clever ist, sichert sich mit Eigentumsvorbehalt oder Delkredereversicherung ab.
Und: Der Blick auf die steuerliche und handelsrechtliche Maßgeblichkeit hilft bei der richtigen Bilanzierung.



