Liebhaberei
- Eva Heinz-Zentgraf

- 6. Nov.
- 5 Min. Lesezeit

Im Rahmen eines Seminars bin ich kürzlich wieder über einen steuerlich hochinteressanten Begriff gestolpert, der auf den ersten Blick harmlos klingt, es aber faustdick hinter den Ohren hat: Liebhaberei.
Anlass war eine Diskussion rund um Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen), bei denen regelmäßig zu prüfen ist, ob tatsächlich eine Einkunftsquelle vorliegt – oder ob die steuerlich geltend gemachten Verluste nicht doch aus einer sogenannten „Liebhaberei“ resultieren.
Gerade im Bereich der PV-Anlagen – die ja zunächst als Investition in Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Energiekostenersparnis wahrgenommen werden – stellt sich die Frage nach der Gewinnerzielungsabsicht besonders häufig.
Zwar hat das Thüringer Finanzgericht in seinem Urteil vom 11.09.2019 (Az. 3 K 59/18) klargestellt, dass im Regelfall davon auszugehen ist, dass eine PV-Anlage mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird – der berühmte Beweis des ersten Anscheins greift hier –, doch ist das Thema damit längst nicht vom Tisch.
Denn Liebhaberei betrifft nicht nur Strom vom Dach. Sie begegnet uns quer durch alle Einkunftsarten: bei Vermietung und Verpachtung, bei nebenberuflicher künstlerischer Tätigkeit, bei Ferienimmobilien, bei selbsternannten Züchtern, Coaches oder Hobbygastronomen.
Die entscheidende Frage ist immer dieselbe: Handelt es sich um eine ernsthaft auf Gewinnerzielung angelegte Tätigkeit – oder lediglich um eine privat motivierte Beschäftigung, die in steuerlicher Hinsicht „außen vor“ bleibt?
In diesem Beitrag möchte ich mit Ihnen einen genaueren Blick auf das Konzept der Liebhaberei werfen: Was steckt juristisch dahinter? Welche Merkmale lassen Finanzämter aufhorchen? Welche klassischen Fälle gibt es – und wie kann man sich schützen oder gar "heilen"? Denn eines ist klar: Wer steuerliche Vorteile nutzen will, sollte wissen, wann das Finanzamt keinen Spaß versteht.
Was ist Liebhaberei aus steuerlicher Sicht?
Der Begriff „Liebhaberei“ stammt nicht aus dem Gesetz, sondern aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Steuerlich handelt es sich dabei um Tätigkeiten, die nicht auf Gewinnerzielung ausgelegt sind – und damit nicht unter die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fallen.
Konkret bedeutet das: Wer eine Tätigkeit betreibt, bei der dauerhaft Verluste entstehen, ohne dass Aussicht auf einen sogenannten „Totalüberschuss“ besteht, übt keine steuerlich relevante Einkunftserzielung aus. Solche Tätigkeiten zählen dann zum Bereich der privaten Lebensführung – und Verluste dürfen nicht mit anderen Einkünften verrechnet werden.
Diese Abgrenzung ist besonders wichtig bei den sogenannten Überschusseinkünften – etwa aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG), selbstständiger Tätigkeit (§ 18 EStG) oder sonstigen Einkünften (§ 22 EStG). Hier prüft das Finanzamt genau, ob tatsächlich eine Einkunftsquelle vorliegt – oder ob „nur“ eine private Neigung verfolgt wird.
Wann liegt Liebhaberei vor?
Es gibt kein starres Regelwerk – aber einige typische Anhaltspunkte, die die Finanzverwaltung und Gerichte regelmäßig heranziehen, um eine Tätigkeit als Liebhaberei einzuordnen.
Besonders relevant sind dabei:
Dauerhafte Verluste
Mehrere Jahre Verluste ohne Aussicht auf Besserung? Das ist der Klassiker. Wer wirtschaftlich dauerhaft rote Zahlen schreibt, sollte gute Gründe parat haben, warum die Gewinnerzielungsabsicht trotzdem glaubhaft ist.
Fehlende Betriebsführung nach unternehmerischen Maßstäben
Ein Steuerpflichtiger, der keine Marktanalyse erstellt, keine Buchführung hat, keine Werbung betreibt und seine Preise eher „nach Gefühl“ kalkuliert, macht es dem Finanzamt leicht. Professionelle Betriebsführung ist ein wichtiger Indikator für Gewinnerzielungsabsicht.
Private Motive im Vordergrund
Je mehr persönliche Neigungen – z. B. Tierliebe, Hobbycharakter, Prestigeobjekte – bei der Tätigkeit eine Rolle spielen, desto kritischer wird geprüft. Besonders gefährdet sind Tätigkeiten mit Freizeitwert, wie z. B.:
Pferdezucht und -haltung
künstlerische Tätigkeiten
Oldtimer-Restaurierung
Ferienhausvermietung (bei überwiegender Eigennutzung)
Nebenbei betriebene Hofläden oder Selbstversorgergärten
Keine oder unrealistische Gewinnprognose
Wer von Anfang an keine nachvollziehbare Planung zur Gewinnerzielung vorlegen kann, gerät schnell in den Verdacht der „Hobbybetätigung“. Besonders kritisch: unrealistisch optimistische Prognosen, die sich nicht mit den tatsächlichen Zahlen decken.
PV-Anlage: Urteil aus Thüringen bringt Licht ins Dunkel
Zurück zum Beispiel der PV-Anlage: In dem vielzitierten Urteil des Thüringer Finanzgerichts (3 K 59/18) wurde eine Einspeiseanlage behandelt, die zwar anfänglich Verluste erwirtschaftete, langfristig jedoch auf eine Gewinnerzielung ausgelegt war.
Das Gericht entschied: Allein das Betreiben einer PV-Anlage mit Einspeisung ins öffentliche Netz spricht für eine Gewinnerzielungsabsicht, sofern keine atypischen Umstände hinzutreten. Anders formuliert: Der sogenannte Beweis des ersten Anscheins spricht für den Betreiber – das Finanzamt muss also das Gegenteil beweisen, um Liebhaberei zu unterstellen.
Das ist ein wichtiger Schutzmechanismus – doch gilt eben nicht uneingeschränkt. Wer z. B. eine Mini-Anlage nur zur Eigenversorgung installiert, aber gleichzeitig Verluste absetzen möchte, muss sehr genau prüfen (lassen), ob die steuerliche Einstufung als Einkunftsquelle überhaupt noch greift.
Weitere Beispiele aus der Praxis
Liebhaberei tritt in vielen, oft unterschätzten Fällen auf. Hier drei klassische Konstellationen aus der Praxis:
Pferdezucht oder -haltung
Ob Reiterhof, Hobbyzucht oder „Pferdepension“: Ohne professionelles Konzept und realistische Gewinnprognose stufen Finanzämter solche Tätigkeiten häufig als Liebhaberei ein. Auch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat dies mehrfach bestätigt.
Künstlerische Betätigung
Malerei, Bildhauerei, Musik – hier ist die Grenze fließend. Werden Werke regelmäßig verkauft und eine gewisse Marktrelevanz erreicht, spricht das gegen Liebhaberei. Bleibt es aber beim „Künstlerdasein im Wohnzimmer“, ist steuerlich meist Schluss.
Ferienimmobilien
Wer sein Ferienhaus hauptsächlich selbst nutzt und es nur gelegentlich vermietet, muss mit einer genauen Prüfung rechnen. Ist die Vermietung wirtschaftlich nicht nachhaltig, handelt es sich schnell um eine nicht anerkannte Liebhaberei – mit entsprechenden steuerlichen Konsequenzen.
Kann man Liebhaberei heilen?
Die gute Nachricht: Ja, eine Liebhabereieinstufung ist kein Todesurteil – jedenfalls nicht zwingend.
1. Professionalisierung der Tätigkeit
Wer seine Tätigkeit künftig nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen führt – mit Planung, Kalkulation, Marketing, Kundenakquise und ordentlicher Buchführung –, kann Zweifel ausräumen.
2. Erstellung eines Businessplans
Ein schlüssiger Plan zur Erreichung der Gewinnzone, der auch realistische Annahmen enthält (z. B. durchschnittliche Auslastung, marktgerechte Preise), kann helfen, die Gewinnerzielungsabsicht zu belegen.
3. Nachweise und Dokumentation
Werbebemühungen, Verträge, Inserate, Marktanalysen – all das zeigt: Hier meint es jemand ernst. Dokumentation ist oft das Zünglein an der Waage.
4. Tätigkeitsumstellung
In manchen Fällen ist es sinnvoll, das Modell zu ändern – z. B. von der kurzzeitigen Ferienhausvermietung zur langfristigen Wohnraummiete, um eine nachhaltige Einnahmenerzielung zu gewährleisten.
5. Freiwillige Aufgabeerklärung
Wird eine Tätigkeit freiwillig beendet, kann eine formelle Aufgabeerklärung beim Finanzamt helfen, steuerliche Risiken für die Zukunft zu vermeiden und klare Verhältnisse zu schaffen.
Quintessenz
Die steuerliche Liebhaberei ist kein Randthema – sondern ein zentraler Aspekt der steuerlichen Einkünfteermittlung, der nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch Relevanz hat. Ob bei PV-Anlagen, Pferdehöfen oder Ferienhäusern. Also überall dort, wo private Interessen mit einer unternehmerischen Tätigkeit verschwimmen, ist Vorsicht geboten.
Wer steuerliche Vorteile nutzen will, muss unternehmerisch denken und handeln.
Denn sobald das Finanzamt die Gewinnerzielungsabsicht anzweifelt, stehen Verluste, AfA und andere Steuervorteile auf dem Spiel.
Mein Rat aus der Praxis: Behalten Sie das Thema im Blick, gerade bei Nebeneinkünften oder Tätigkeiten mit privatem Bezug.
Und vor allem: Dokumentieren Sie Ihre Ernsthaftigkeit – denn das Finanzamt interessiert sich weniger für Ihre Leidenschaft, sondern vor allem für Ihre Wirtschaftlichkeit.



