Factoring vs. Forfaitierung
- Eva Heinz-Zentgraf
- 11. Juli
- 4 Min. Lesezeit

Neulich beim Kaffee mit einer befreundeten Unternehmerin kamen wir schnell vom Smalltalk ins Eingemachte, nämlich zum Thema Liquidität.
Oder besser gesagt, deren Mangel 💸
Das Problem war folgendes: Der Auftrag war sauber abgeschlossen, die Rechnung längst raus. Aber das Geld? Fehlanzeige! Und während wir gemeinsam überlegten, wie sich diese Lücke schließen lässt, wurde mir einmal mehr klar: Dieses Szenario ist alles andere als selten.
Gerade kleinere Betriebe, Solo-Selbstständige oder junge Start-ups geraten durch schleppende Zahlungen schnell in Schieflage. Denn zwischen „offener Forderung“ und „offenem Problem“ liegt manchmal nur ein Monatswechsel. Was also tun, wenn man nicht auf Wunder, sondern auf Lösungen wartet?
Die gute Nachricht: Es gibt sie. Zwei sogar 🤩
Sie heißen Factoring und Forfaitierung. Auch wenn diese beiden Kandidaten komplizierter klingen, als sie es eigentlich sind.
Was dahintersteckt, wie sie funktionieren und warum sie Ihnen helfen können, darüber sprechen wir heute.
Factoring – Der Forderungsverkauf mit Langzeitbeziehung
Beim Factoring verkaufen Sie Ihre offenen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an ein darauf spezialisiertes Finanzinstitut, den sogenannten Factor. Der übernimmt nicht nur die Forderung, sondern in der Regel auch das Risiko des Zahlungsausfalls (bei echtem Factoring) und sogar die komplette Debitorenbuchhaltung inklusive Mahnwesen. Klingt nach Rundum-sorglos-Paket, oder?
Der Ablauf – in der Kurzfassung:
Sie liefern Ihre Ware oder erbringen die Dienstleistung.
Sie stellen wie gewohnt die Rechnung.
Diese Rechnung reichen Sie beim Factor ein.
Der Factor zahlt innerhalb von 24–48 Stunden einen Großteil der Summe (z. B. 80–90 %) aus.
Nach Eingang der Kundenzahlung wird der Rest abzüglich Gebühren überwiesen.
Das Ganze läuft oft laufend – also mit vielen Forderungen im Rahmen eines Factoringvertrags über einen längeren Zeitraum.
Factoringarten auf einen Blick:
Echtes Factoring: Der Factor trägt das Ausfallrisiko – Ihre Bilanz wird entlastet.
Unechtes Factoring: Sie haften weiter für die Forderung – Risiko bleibt bei Ihnen.
Offenes Factoring: Ihr Kunde weiß, dass die Forderung verkauft wurde.
Stilles Factoring: Der Kunde bekommt davon nichts mit.
Vorteile:
Sofortige Liquidität – kein Warten auf Zahlungsfristen
Schutz vor Zahlungsausfällen (bei echtem Factoring)
Entlastung der Buchhaltung durch ausgelagertes Mahnwesen
Verbesserung der Eigenkapitalquote
Nachteile:
Kosten: Factoring ist nicht umsonst (1–3 % der Rechnungssumme sind üblich)
Kundenbeziehung: Beim offenen Factoring kann die Info über den Verkauf sensibel sein
Vertragsbindung und Mindestvolumen können kleinere Anbieter abschrecken
Forfaitierung – Der große Bruder fürs Exportgeschäft
Wenn Factoring der Dauerauftrag für Liquidität ist, dann ist Forfaitierung der große Einmal-Deal. Diese Form des Forderungsverkaufs wird vor allem im internationalen Geschäft eingesetzt – typischerweise bei Einzelforderungen mit längerer Laufzeit, etwa bei Exporten von Maschinen, Anlagen oder Investitionsgütern.
Hier verkauft der Gläubiger (also Sie als Lieferant oder Dienstleister) eine einzelne, genau bezeichnete Forderung an ein Finanzinstitut – die sogenannte Forfaitierungsstelle. Diese übernimmt die Forderung inklusive aller Risiken, auch dem politisch-exotischen Zahlungsausfall durch Staatskrisen oder Währungsturbulenzen. Willkommen im internationalen Forderungs-Dschungel!
Klassisches Beispiel:
Sie verkaufen eine Fertigungsstraße an einen Kunden in Brasilien mit einem Zahlungsziel von 24 Monaten. Um sich nicht 2 Jahre lang Sorgen machen zu müssen, übergeben Sie die Forderung samt Schuldnerwechsel an eine Bank oder einen Forfaiteur. Der zahlt Ihnen den Betrag (abzüglich Risikoabschlag) sofort aus – und übernimmt das gesamte Inkassorisiko.
Vorteile:
Planungssicherheit durch sofortige Zahlung
Risikofreie Abwicklung auch bei schwierigen Exportländern
Verbesserung der Bilanzkennzahlen
Kein Mahnwesen mehr nötig
Nachteile:
Nicht für wiederkehrende Kleinbeträge geeignet
Komplexe Vertragsgestaltung und Bonitätsprüfung des Auslandskunden
Höhere Kosten als beim Factoring (vor allem bei politischen Risiken)
Der direkte Vergleich – Wer kann was besser?
Kriterium | Factoring | Forfaitierung |
Forderungstyp | Viele, regelmäßig anfallende Forderungen | Einzelne, meist größere Forderungen |
Zielgruppe | KMU, Dienstleister, Großhändler | Exporteure, Investitionsgüterlieferanten |
Risikoübernahme | Ja (bei echtem Factoring) | Ja, vollständig |
Vertragsart | Laufender Rahmenvertrag | Einzelfallbezogen |
Laufzeit der Forderung | Kurzfristig (30–90 Tage) | Mittelfristig (bis mehrere Jahre) |
Kostenstruktur | Geringer als Forfaitierung | Höher durch politisches Risiko etc. |
Bilanzielle Wirkung | Entlastung durch Forderungsausbuchung | Ebenfalls Bilanzentlastung |
Praxisbeispiele – Wer nutzt was? Und warum?
Fall 1: Möbelhersteller Müller
Herr Müller verkauft regelmäßig Tische und Stühle an Geschäftskunden – meist mit Zahlungsziel 30 Tage. Damit er sein Holz und die Löhne trotzdem sofort bezahlen kann, nutzt er echtes Factoring.
Das verschafft ihm Liquidität, Sicherheit und erspart das lästige Hinterherrennen bei Zahlungsverzug.
Sein Fazit: „Ich kann endlich schlafen, obwohl meine Kunden es mit dem Zahlen nicht so eilig haben.“
Fall 2: Maschinenbauer Meier
Frau Meier liefert eine hochmoderne Abfüllanlage nach Chile. Die Rechnungssumme: 750.000 €. Zahlung: 50 % sofort, 50 % nach 12 Monaten.
Um sich gegen mögliche Ausfallrisiken und Wechselkursschwankungen abzusichern, verkauft sie die Restforderung im Rahmen einer Forfaitierung an eine Bank. Diese überweist den offenen Betrag (abzüglich Gebühren) direkt und kümmert sich um alles Weitere.
Ihr Kommentar: „Ich bleib lieber bei Technik – für Risikoanalyse und Wechselkurs-Prognosen sind andere zuständig.“
Steuerliche und bilanzielle Behandlung
Auch wenn Factoring und Forfaitierung nicht im EStG oder HGB „groß rumposaunt“ werden, so sind sie doch ordentlich einzuordnen:
Die verkauften Forderungen scheiden in der Regel aus der Bilanz aus, da sowohl wirtschaftliches als auch rechtliches Eigentum übergehen.
Bei unechtem Factoring bleibt das Ausfallrisiko – und damit bleibt auch die Forderung aktiv in der Bilanz stehen.
Steuerlich ist zu beachten: Die Umsatzsteuer muss bei Lieferung/Leistung korrekt ausgewiesen und ans Finanzamt abgeführt werden – unabhängig vom Zahlungseingang durch den Factor.
Auch Gebühren für Factoring und Forfaitierung sind betrieblich abzugsfähig – als Finanzierungsaufwand.
Im Controlling und bei der Bilanzanalyse kann der Einsatz solcher Instrumente die Liquiditätssituation verbessern und das Working Capital optimieren – aber auch Kennzahlen verzerren, wenn das Risiko der Außenstände „unsichtbar“ wird.
Quintessenz
Factoring und Forfaitierung sind wie zwei Seiten derselben Medaille: beide verwandeln Forderungen in bare Münze – aber sie spielen auf unterschiedlichen Bühnen. Während Factoring eher für den täglichen Gebrauch im Inland und bei kleinen bis mittleren Forderungen geeignet ist, glänzt die Forfaitierung bei großen, internationalen Einzeldeals mit langen Laufzeiten.
Für Unternehmen, die auf Liquidität angewiesen sind (und ehrlich gesagt: Wer ist das nicht?) können diese beiden Instrumente wahre Gamechanger sein. Vorausgesetzt, man versteht ihre Unterschiede, nutzt sie gezielt und verliert nicht den Überblick über Kosten und Risiken.
Mein Tipp zum Schluss: Wer seine Forderungen clever verkauft, hat mehr Zeit für sein eigentliches Kerngeschäft – und muss sich weniger mit Zahlungsverweigerern, Mahnfristen und Nervenkrisen beschäftigen. Und das ist doch schon fast unbezahlbar, oder?
Der Download
Hier finden Sie den Praxisfall "Frau Krauses Forderungsdilemma" zum Nachlesen und Selbst-Lösen.