Das 4-Ohren-Modell in der Kommunikation
- Eva Heinz-Zentgraf

- 24. Juli
- 4 Min. Lesezeit

Letzte Woche saß ich mal wieder in einer mündlichen Prüfung – dem Fachgespräch der Wirtschaftsfachwirte.
Sie wissen schon: Präsentation, Rollenspiel, Kommunikation pur 😅
Und natürlich kommt in diesem Zusammenhang regelmäßig ein Thema aus dem Bereich „Führung und Zusammenarbeit“ auf den Tisch. Tja, und manchmal ist da sogar das "4-Ohren-Modell" nach Friedemann Schulz von Thun mit im Spiel - zumindest theoretisch.
Praktisch sieht es oftmals leider anders aus: Viele Teilnehmende wissen zwar, dass es „irgendwas mit Kommunikation“ ist, aber so richtig im Kopf haben sie das Modell leider nicht.
Das hat mich ehrlich gesagt ein bisschen nachdenklich gemacht - und gleichzeitig wachgerüttelt.
Denn dieser Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation ist so unsagbar wichtig.
Für den Berufsalltag. Für die Zusammenarbeit im Team.
Für die eigene Führungskompetenz. Und ja - auch für das Privatleben.
Deshalb heute: ein Blogartikel aus der Rubrik Kommunikation, mit dem Fokus auf das gute alte 4-Ohren-Modell.
Und ich sage es gleich: Das war nicht der letzte Beitrag dieser Art, denn dieses Themegebiet halte ich für unglaublich wichtig 😊
Was ist das "4-Ohren-Modell" überhaupt?
Stellen Sie sich Kommunikation mal wie ein Paket vor. Sie bekommen es überreicht – aber was darin steckt, hängt davon ab, wie Sie es auspacken. Friedemann Schulz von Thun, Psychologe und Kommunikationsforscher, hat genau dieses Prinzip mit seinem Modell erklärt.
Das 4-Ohren-Modell (auch Nachrichtenquadrat genannt) zeigt, dass jede Nachricht auf vier Ebenen verstanden werden kann:
Sachinhalt – Worüber wird informiert?
Selbstoffenbarung – Was gibt der Sender über sich selbst preis?
Beziehungsebene – Wie steht der Sender zum Empfänger?
Appell – Wozu will der Sender den Empfänger veranlassen?
Ein Beispiel aus dem Leben: „Die Ampel ist grün“
Nehmen wir eine vermeintlich harmlose Aussage: „Die Ampel ist grün.“
Je nachdem, mit welchem Ohr man hört, kann diese Aussage ganz unterschiedlich verstanden werden:
Sachohr: Die Ampel hat gerade die Farbe gewechselt.
Selbstoffenbarungsohr: Ich weiß, wann die Ampel grün ist.
Beziehungsohr: Du fährst zu langsam und ICH muss DICH erinnern!
Appellohr: Fahr endlich los!
Jetzt stellen Sie sich einen gestressten Prüfungsteilnehmer vor, der ein sehr empfindliches Beziehungsohr hat.
Der hört bei jeder neutralen Aussage sofort einen versteckten Vorwurf. Oder jemand mit einem stark ausgeprägten Appellohr – der verwandelt selbst einen harmlosen Kommentar in eine To-do-Liste 😅
Warum ist das Modell so wichtig – gerade in der Prüfung?
In den mündlichen Prüfungen der Wirtschaftsfachwirte – aber auch bei Existenzgründern, Controllern oder angehenden Führungskräften – geht es längst nicht nur um das Was, sondern vor allem um das Wie.
Kommunikation ist Schlüsselkompetenz.
Insbesondere in Präsentationen!
Stellen Sie sich vor, Sie führen im Rahmen einer Prüfung ein Mitarbeitergespräch. Ihr Gegenüber sagt: „Ich finde, Sie geben mir zu wenig Rückmeldung.“ Was hören Sie?
Mit dem Sachohr: Es geht um die Frequenz der Rückmeldungen.
Mit dem Beziehungsohr: Vielleicht denkt der Mitarbeiter, ich interessiere mich nicht für seine Arbeit.
Mit dem Appellohr: Ich soll öfter Feedback geben.
Mit dem Selbstoffenbarungsohr: Der Mitarbeiter fühlt sich unsicher oder alleingelassen.
Nur wer diese Ebenen kennt und erkennt, kann auch souverän und professionell reagieren.
Deshalb: Das 4-Ohren-Modell ist kein nettes Gimmick aus der Psychologie – sondern ein echtes Führungswerkzeug!
Die vier Ohren der Kommunikation im Führungsalltag
1. Das Sachohr – Klartext reden
Führungskräfte brauchen ein gut entwickeltes Sachohr. Wer ständig emotional oder persönlich reagiert, verliert an Klarheit. Die Sachebene steht für faktenbasierte, nachvollziehbare Kommunikation – ohne Vorwürfe.
2. Das Selbstoffenbarungsohr – Authentisch bleiben
Führung heißt auch, sich selbst zu zeigen – im richtigen Maß. Wer sich zu sehr hinter einer Fassade versteckt, verliert an Glaubwürdigkeit. Das Selbstoffenbarungsohr hilft, die eigene Haltung verständlich zu machen – und die anderer zu erkennen.
3. Das Beziehungsohr – Respekt zeigen
Kommunikation ist nie neutral. Selbst eine simple Frage wie „Was wollen Sie eigentlich?“ kann ganz unterschiedlich ankommen. Der Umgangston entscheidet – besonders in der Führung.
4. Das Appellohr – Handlungsimpulse erkennen
In jeder Nachricht steckt häufig ein Wunsch, ein Bedürfnis oder eine Bitte. Wer ein gutes Appellohr entwickelt, erkennt diese Impulse – und kann gezielt reagieren.
Klassische Missverständnisse – Wenn die Ohren nicht zueinander passen
Ein Klassiker aus dem Berufsalltag: Die Chefin sagt zum Mitarbeiter: „Das Protokoll war fehlerhaft.“
Der Mitarbeiter – mit starkem Beziehungsohr – hört: „Sie hält mich für unfähig.“
Gemeint war aber: „Bitte überprüfen Sie das Protokoll nochmal.“ (Appell)
Und sachlich betrachtet war es lediglich eine Feststellung.
Solche Missverständnisse lassen sich vermeiden – wenn man sich bewusst macht, dass die eigene Interpretation nicht die einzig wahre ist.
Tipps für die Praxis
Spiegeln Sie Ihre Kommunikation: Was sagen Sie tatsächlich auf den vier Ebenen?
Fragen Sie nach, bevor Sie urteilen: „Wie genau haben Sie das gemeint?“ wirkt oft Wunder.
Trainieren Sie Ihre Ohren: Versuchen Sie, Nachrichten aus unterschiedlichen Perspektiven zu hören. Es ist wie ein inneres Tonstudio – und mit ein wenig Übung werden Sie zur echten Kommunikationskraft!
Quintessenz
Das 4-Ohren-Modell ist weit mehr als ein psychologisches Theoriegebilde.
Es ist ein praxisnahes Werkzeug für Führung, Zusammenarbeit und gelingende Kommunikation – egal ob in Prüfungssituationen, im beruflichen Alltag oder im Privatleben.
Denn: Wenn Reden schon Gold ist, dann ist Zuhören mindestens Platin – auf allen vier Ohren 😄



