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Kreditzweitmarktförderungsgesetz

Das "Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness", kurz als Wachstumschancengesetz bezeichnet, markiert einen wichtigen Wendepunkt in der deutschen Gesetzgebung. Verabschiedet vom Bundestag am 17. November 2023 mit der Unterstützung von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, stieß es auf den Widerstand der Oppositionsfraktionen CDU/CSU, AfD und Linke. Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss an, dessen Sitzung noch aussteht, wodurch auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses umfassenden Gesetzes noch ungewiss bleibt.

 

In einem bemerkenswerten legislativen Schachzug wurden einige der Änderungen, die noch im Jahr 2023 in Kraft treten sollten, in ein überraschendes Gesetzespaket integriert: das Kreditzweitmarktförderungsgesetz. Ich liebe diese Namen 🧐! Ursprünglich in einem Gesetzentwurf vom 6. November 2023 nicht vorgesehen, wurden diese Änderungen erst durch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses in das Artikelgesetz aufgenommen. Trotz des irreführenden Titels umfasst das Gesetz wichtige steuerliche Änderungen.

 

 

Kreditzweitmarktförderungsgesetz – Ein Meilenstein für den deutschen Finanzmarkt

 

Hintergrund und Notwendigkeit

 

Das Kreditzweitmarktförderungsgesetz entstand als Reaktion auf die globale Finanzkrise, die bei vielen europäischen Banken zu hohen Beständen notleidender Kredite führte. Diese Situation offenbarte die dringende Notwendigkeit für einen effektiven Sekundärmarkt für solche Kredite in Deutschland. Durch notleidende Kredite belastete Bankbilanzen erschweren nicht nur die Kreditvergabe, sondern bergen auch signifikante Risiken für das Finanzsystem.

 

Zielsetzung des Gesetzes

 

Das Gesetz verfolgt das Ziel, einen robusten und funktionierenden Sekundärmarkt für Kredite zu etablieren. Durch die Einführung eines speziellen Erlaubnisverfahrens für deutsche und europäische Anbieter schafft es die rechtlichen Grundlagen für den Handel mit notleidenden Krediten. Dies ermöglicht es institutionellen Investoren, solche Kredite zu erwerben, wodurch die Bilanzen der Banken entlastet werden. Eine solche Entlastung führt nicht nur zu einer verbesserten Kapitalverfügbarkeit für neue Kreditvergaben, sondern auch zu einer effektiveren Risikostreuung.

 

Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen

 

Ein wesentlicher Aspekt des Gesetzes ist die Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin soll sicherstellen, dass die Marktakteure die erforderlichen Standards erfüllen und die Rechte der Darlehensnehmer gewahrt bleiben. Dies beinhaltet die Überwachung der Transaktionen auf dem Sekundärmarkt und die Einhaltung von Mindeststandards im Hinblick auf Transparenz und Fairness.

 

 

Steuerliche Änderungen im Kontext des Gesetzes

 

Anpassung der Zinsschranke gemäß EU-Vorgaben

 

Die Zinsschranke, geregelt in § 4h EStG und § 8a KStG, wurde im Rahmen des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes an die EU-Richtlinie 2016/1164 (Anti-Tax-Avoidance-Directive – ATAD) angepasst. Diese Anpassung, die bis spätestens 31.12.2023 erfolgen musste, umfasst mehrere wichtige Änderungen:

  1. Definition der Nettozinsaufwendungen: In § 4h Abs. 1 EStG wurde der Begriff „Nettozinsaufwendungen“ erstmalig definiert. Zudem wurde klargestellt, dass ein EBITDA-Vortrag nicht in Wirtschaftsjahren entsteht, in denen die Zinsaufwendungen die Zinserträge nicht übersteigen.
  2.  Ausnahmeregelungen zur Zinsschranke: Die Zinsschranke findet Anwendung, wenn konzernzugehörige Betriebe Nettozinsaufwendungen von 3 Mio. € oder mehr aufweisen. Drei Ausnahmen sind vorgesehen: die Stand-alone-Klausel, eine Freigrenze sowie die Escape-Klausel, die sich auf die Eigenkapitalquote des Betriebs bezieht.
  3. Verrechnung von Zinsvorträgen: Zukünftig ist der Abzug von Zinsvorträgen nur möglich, soweit ausreichend verrechenbares EBITDA vorhanden ist (§ 4h Abs. 1 Satz 7 EStG).
  4.  Neue Regelungen zur Stand-alone-Klausel: Gemäß § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG ist diese Klausel nur erfüllt, wenn der Steuerpflichtige keiner nahestehenden Person nach § 1 Abs. 2 AStG zuzuordnen ist und keine Betriebsstätte außerhalb des Sitzstaats besitzt.

 

Streichung des § 8a Abs. 2 KStG

 

Die Änderung sieht die Streichung des § 8a Abs. 2 KStG vor, was zu einer Vereinfachung der steuerlichen Regelungen führt.

 

Änderungen zur Eigenkapitalquote und Gesellschafter-Fremdfinanzierung

 

Bei der Eigenkapital-Escape-Klausel entfällt die Erhöhung des Eigenkapitals um die Hälfte der Sonderposten mit Rücklagenanteil. Zudem werden bei der Prüfung der schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierung alle Fremdkapitalvergütungen der qualifiziert beteiligten Gesellschafter zusammengefasst.

 

Definition der Zinsaufwendungen und -erträge

 

Der Begriff der Zinsaufwendungen wurde umfassend geändert und umfasst nun alle Arten von Forderungen und vergleichbare Aufwendungen. Ebenso wurde der Begriff der Zinserträge den ATAD-Vorgaben angepasst.

 

Förderung von Infrastrukturprojekten

 

Mit § 4h Abs. 6 EStG wird die Förderung langfristiger öffentlicher Infrastrukturprojekte eingeführt. Zinsaufwendungen und -erträge aus entsprechenden Darlehen fallen nicht unter die regulären Zinsaufwendungen und -erträge.

Diese Änderungen treten ab dem 1. Januar 2024 in Kraft.

 

Aufhebung der §§ 123 bis 126 EStG und weitere Anpassungen

 

Die im Rahmen des Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetzes eingeführten Besteuerungsregelungen wurden aufgrund des hohen Verwaltungsaufwands und der geringen Steuermehreinnahmen gestrichen. Des Weiteren wurden Anpassungen im Bereich der Pflegeversicherungsbeiträge vorgenommen, die ab 2024 gelten.

 

Änderungen in der Abgabenordnung

 

Das Kreditzweitmarktförderungsgesetz nimmt auch Anpassungen in der Abgabenordnung vor, insbesondere im Kontext des Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetzes (MoPeG). Wichtige Änderungen betreffen die Definitionen und die Handlungsfähigkeit rechtsfähiger Personenvereinigungen sowie die Vollstreckung in deren Vermögen.

 

Ergänzende Gesetzesänderungen

 

Neben den genannten Anpassungen wurden weitere Änderungen in anderen Gesetzen wie dem ErbStG und dem GrEStG vorgenommen, um sie an das MoPeG anzupassen und die Besteuerung von Personengesellschaften zu klären. Diese umfassenden Änderungen unterstreichen das Bestreben des Gesetzgebers, das Steuerrecht zu modernisieren und an aktuelle europäische Vorgaben anzupassen.

 

 

Quintessenz

 

Das Kreditzweitmarktförderungsgesetz, ein Beispiel für die komplexe Natur der Gesetzgebung, zeigt, wie steuerliche Änderungen oft in Gesetzen untergebracht werden, deren Titel wenig über ihren tatsächlichen Inhalt verrät. Dieses Vorgehen ist eine direkte Reaktion auf die Herausforderungen im legislativen Prozess, insbesondere hinsichtlich des Wachstumschancengesetzes, welches im Bundesrat auf Widerstand stieß und den Vermittlungsausschuss auf den Plan rief.

 

Die zeitliche Dringlichkeit einiger steuerrechtlicher Anpassungen, insbesondere die Anpassung der Zinsschrankenregelung an die EU-Vorgaben der ATAD und die Abgabenordnung im Kontext des MoPeG, erforderte schnelles Handeln. Diese wurden daher ins Kreditzweitmarktförderungsgesetz integriert, um sie rechtzeitig vor dem Stichtag 31. Dezember 2023 umsetzen zu können.

 

Das Gesetz ist somit nicht nur ein Beispiel für pragmatische Gesetzgebung unter Zeitdruck, sondern auch ein Zeichen dafür, wie politische Prozesse und rechtliche Anforderungen zu unerwarteten Lösungen führen können. Es bleibt abzuwarten, wie die weiteren Änderungen des Wachstumschancengesetzes umgesetzt werden, insbesondere im Hinblick auf die erhofften Steuererleichterungen.

 

Insgesamt verdeutlicht das Kreditzweitmarktförderungsgesetz, wie wichtig Flexibilität und Anpassungsfähigkeit im legislativen Prozess sind, um auf dynamische wirtschaftliche und politische Herausforderungen reagieren zu können. Dieses Vorgehen könnte ein Vorbild für zukünftige legislative Prozesse sein, in denen schnelle und effektive Lösungen gefragt sind.