· 

Umkehr der Steuerschuldnerschaft

Steuerschuldner ist nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich der Unternehmer, der einen steuerbaren Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausführt.

 

Von dieser Grundregel abweichend ist die wichtigste Ausnahme in § 13b UStG zu finden.

 

In den in dieser Norm aufgeführten Fällen wird der leistungsempfangende Unternehmer, sofern der ausführende Unternehmer nicht Kleinunternehmer ist, zum Steuerschuldner (§ 13b Abs. 5 Satz 8 UStG).

 

Das Prinzip der Steuerschuldumkehr ist vielen bei der Erbringung von Dienstleistungen ins Ausland bekannt. Die steuerlichen Regelungen sehen aber auch für bestimmte inländische Sonderfälle dieses Prinzip vor, beispielsweise bei Bauleistungen und Gebäudereinigungsleistungen.

 

Hintergrund war, dass für diese Bereiche besondere Missbrauchsanfälligkeit zur Umsatzsteuerhinterziehung festgestellt wurde. Um zu verhindern, dass die Umsatzsteuer zwar an den Leistenden bezahlt, jedoch vom Leistenden nicht ans Finanzamt entrichtet wird, verlagert sich daher in bestimmten Konstellationen die Steuerschuld grundsätzlich auf den in der Regel inländischen und vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger. Folge hiervon ist, dass der leistende Unternehmer eine Nettorechnung ausstellt und der Leistungsempfänger den Leistungsbezug in eigener Steuerschuld versteuert. Hierzu hat er den entsprechenden Steuerbetrag in seiner Umsatzsteuervoranmeldung anzumelden und kann bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen diesen gleichzeitig als Vorsteuer geltend machen.

 

 

Allgemeiner Anwendungsbereich

 

Werden beispielsweise Bauleistungen oder Gebäudereinigungsleistungen von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner, wenn er ein Unternehmer ist und selbst Bauleistungen bzw. Gebäudereinigungsleistungen nachhaltig erbringt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer diese Leistungen selbst für eine Bauleistung oder Gebäudereinigungsleistung verwendet.

 

Aber hier ganz konkret die Anwendungsbereiche des § 13b UStG:

  • § 13b Abs. 1 UStG bezieht sich auf steuerpflichtige innergemeinschaftliche Dienstleistungen.
  • § 13b Abs. 2 UStG enthält einen Katalog weiterer Fälle des Übergangs der Steuerschuldnerschaft. (Übersicht siehe unten!)
  • § 13b Abs. 3 UStG ist eine Sonderregelung zum Entstehungszeitpunkt der Steuer für den – in der Praxis seltenen – Fall des Bezugs grenzüberschreitender Dauerleistungen mit einem Leistungszeitraum von mehr als einem Jahr.
  • § 13b Abs. 4 UStG enthält die wichtige Regelung, dass in allen Fällen des § 13b Abs. 1 und Abs. 2 UStG eine Anzahlungsbesteuerung stattfindet.
  • § 13b Abs. 5 UStG betrifft den eigentlichen Regelungsgehalt des § 13b UStG (den Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger) und regelt zugleich die Voraussetzungen, die hierfür auf Seiten des Leistungsempfängers und ggf. auch des leistenden Unternehmers gegeben sein müssen.
  • § 13b Abs. 6 UStG ist ein Einschränkungstatbestand, indem bei bestimmten Sonderfällen von Leistungen ein Übergang der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 UStG ausgeschlossen wird.
  • § 13b Abs. 7 UStG enthält Regelungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen der leistende Unternehmer den Status eines „im Ausland ansässigen Unternehmers“ bzw. eines „im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers“.
  • § 13b Abs. 8 UStG enthält Regelungen für Kleinunternehmer und pauschalierte Landwirte.
  • § 13b Abs. 9 UStG ermächtigt das BMF eine Rechtsverordnung zu erlassen.
  • § 13b Abs. 10 UStG enthält die Verordnungsermächtigung zum sog. Schnellreaktionsmechanismus im Rahmen des ZollkodexAnpG vom 22.12.2014

…und hier noch eine kleine Übersicht zum § 13b UStG

Wichtigste Anwendungsbereiche

 

Bauleistungen

 

Als Bauleistung gelten im Bereich des § 13b UStG alle Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Dabei umfasst der Begriff des Bauwerks nicht nur Gebäude, sondern sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlagen (Brücken, Straßen).

 

Der Begriff des Grundstücks umfasst auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.

 

Die Einordnung als Bauleistung setzt voraus, dass die Leistung sich unmittelbar auf die Substanz eines Bauwerks auswirkt, das heißt Substanz erweitert, verbessert, erhält oder beseitigt.

 

Hierzu zählen

  • Erhaltungsaufwendungen (zum Beispiel Reparaturleistungen)
  • künstlerische Leistungen und Reinigungsleistungen mit Substanzveränderung (beispielsweise Sandstrahlen)
  • der Einbau von Fenstern und Türen sowie Bodenbelägen, Aufzügen, Rolltreppen und Heizungsanlagen
  • die Errichtung von Dächern und Treppenhäusern
  • Werklieferungen oder Einbau von Ausstattungsgegenständen oder Maschinenanlagen, sofern diese sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken ; dies ist der Fall, wenn sie nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern.
  • Erdarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung eines Bauwerks
  • Installation einer EDV- oder Telefonanlagen, die fest mit dem Bauwerk verbunden sind, in das sie eingebaut werden
  • Dachbegrünung eines Bauwerks

Planungs- und Überwachungsleistungen sind ausgenommen.

 

Leistungen von Architekten, Laboren, Ingenieuren, Statikern, Rechnungsprüfern, Ausschreibungen u. ä. fallen damit nicht unter den Begriff der Bauleistung.

 

Außerdem handelt es sich nicht um Bauleistungen bei

  • Reinigungsleistungen oder Wartungsarbeiten ohne Substanzveränderung
  • Aufstellen von Messeständen
  • Gerüstbau
  • reine Lieferungen.

 

Gebäudereinigungsleistungen

 

Unter die Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen fällt insbesondere

  1. die Reinigung sowie die pflegende und schützende (Nach-)Behandlung von Gebäuden und Gebäudeteilen (innen und außen),
  2. die Hausfassadenreinigung (einschließlich Graffitientfernung),
  3. die Fensterreinigung,
  4. die Reinigung von Dachrinnen und Fallrohren,
  5. die Bauendreinigung,
  6. die Reinigung von haustechnischen Anlagen, soweit es sich nicht um Wartungsarbeiten handelt und
  7. die Hausmeisterdienste und die Objektbetreuung, wenn sie auch Gebäudereinigungsleistungen beinhalten.

Nicht hierunter fallen insbesondere

  • die Schornsteinreinigung,
  • die Schädlingsbekämpfung,
  • der Winterdienst, soweit es sich um eine eigenständige Leistung handelt,
  • die Reinigung von Inventar, wie Möbel, Teppiche, Matratzen, Bettwäsche, Gardinen und Vorhänge, Geschirr, Jalousien und Bilder, soweit es sich um eine eigenständige Leistung handelt.

 

Nachhaltigkeit

 

Ein Unternehmer erbringt dann nachhaltig Bauleistungen beziehungsweise Gebäudereinigungsleistungen, wenn er mindestens zehn Prozent seines Weltumsatzes (Summe seiner im Inland steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze) als Bauleistungen beziehungsweise Gebäudereinigungsleistungen erbringt.

 

Von dieser Voraussetzung ist auszugehen, wenn das zuständige Finanzamt dies bescheinigt. Die Bescheinigung muss im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültig sein. Bei Erteilung dieser Bescheinigung wird aus Vereinfachungsgründen auf den Weltumsatz des im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung abgelaufenen Besteuerungszeitraums abgestellt.

 

Hat der Leistungsempfänger bisher noch keine Bauleistungen ausgeführt bzw. nimmt er die Tätigkeit in diesem Bereich erst auf, stellt das Finanzamt dem Unternehmer die Bescheinigung aus, wenn er nach außen erkennbar mit ersten Handlungen zur nachhaltigen Erbringung von Bauleistungen begonnen hat und die Bauleistungen voraussichtlich mehr als zehn Prozent seines Weltumsatzes betragen werden.

 

Sowohl die Bescheinigung für Bauleistungen als auch die für Gebäudereinigungsleistungen sind auf längstens drei Jahre befristet, um dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger Rechtssicherheit zu gewährleisten. Aus Rechtsschutzgründen können sie zudem nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden. Wenn die Bescheinigung durch das Finanzamt widerrufen oder zurückgenommen wurde, darf sie der Unternehmer nicht mehr verwenden.

 

Wurde die Bescheinigung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen und erbringt der Leistungsempfänger nicht nachhaltig Bauleistungen oder Gebäudereinigungsleistungen, schuldet der leistende Unternehmer dann die Steuer, wenn er hiervon Kenntnis hatte oder hätte haben können.

 

Der Leistungsempfänger ist auch dann Steuerschuldner, wenn ihm das Finanzamt eine Bescheinigung ausgestellt hat, er diese aber gegenüber dem leistenden Unternehmer nicht verwendet.

  • Bauträger, die ausschließlich eigene Grundstücke bebauen, um sie zu verkaufen, führen eine Grundstückslieferung aus. Konsequenz ist, dass bei den Bauleistungen, die in diesem Zusammenhang an Bauträger erbracht werden, grundsätzlich kein Wechsel der Steuerschuld stattfindet.
  • Wohnungseigentümergemeinschaften werden nicht zum Steuerschuldner, wenn sie Bauleistungen als nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfreie Leistungen der Wohnungseigentümergemeinschaften an die einzelnen Wohnungseigentümer weiter geben.
  • Auch tritt die Steuerschuldumkehr in den Fällen nicht ein, in denen der leistende Unternehmer die Kleinunternehmerregelung des § 19 Absatz 1 UStG anwendet. Ein Leistungsempfänger, der eine Bauleistung von einem Kleinunternehmer bezieht, bei dem keine Umsatzsteuer erhoben wird (vergleiche § 19 Abs. 1 UStG), schuldet demnach keine Umsatzsteuer nach § 13b UStG. Hingegen kann ein Kleinunternehmer, der Bauleistungen bezieht, Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulden.

Nicht unter den Begriff der Bauleistung fallen nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums an sich als Bauleistung einzuordnende Reparatur- und Wartungsarbeiten an Bauwerken, wenn das (Netto-)Entgelt für den einzelnen Umsatz nicht mehr als 500,00 Euro beträgt nach 13b.2 Absatz 7, Ziffer 15 UStAE. Die Bagatellregelung soll der Erleichterung der Abgrenzungsfragen bei Wartung und Reparaturen dienen.

 

Sie ist grundsätzlich nicht anwendbar bei Anbauten, Neubauten, Erweiterungen, Abriss, das heißt Leistungen, die der Herstellung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.