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Konsignationslager

Am 10.12.2021 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium (BMF) das Einführungsschreiben zur Konsignationslagerregelung des § 6b UStG.

 

Die Regelung trat bereits zum 1.1.2020 in Kraft.

 

Der nachfolgende Blogartikel greift die wichtigsten Problemstellungen der Konsignationslagerregelung heraus und veranschaulicht diese anhand von Beispielen. Dabei werden auch für die Praxis wichtige Handlungsempfehlungen gegeben. Aber nun erst einmal ganz allgemein. 🧐

 

Allgemeines

 

Ein Konsignationslager ist dem Grunde nach ein Auslieferungslager eines Unternehmers. Während beim reinen Auslieferungslager der künftige Kunde noch nicht feststeht, ist dies beim Konsignationslager anders. Der Kunde steht grundsätzlich beim Verbringen des Gegenstandes in das Lager bereits fest.

 

In folgenden Gesetzesfundstellen sind Regelungen im Zusammenhang mit dem Konsignationslager zu finden:

  • § 1a UStG,
  • § 3 UStG,
  • § 6a UStG,
  • § 6b UStG,
  • § 10 UStG,
  • § 14 UStG,
  • § 14a UStG,
  • § 22 Abs. 4f UStG und
  • § 22 Abs. 4g UStG.

Die Gründe, ein Konsignationslager in einem anderen Staat zu führen, liegen darin, schnell vor Ort die Ware für den Kunden bereitzuhalten. Wenn die Ware erst in Deutschland bestellt und dann in einen anderen Staat befördert werden müsste, ist dies unter Umständen zu zeitaufwendig. Der Vorteil des Konsignationslagers ist deshalb so gut wie ausschließlich der Zeitfaktor.

 

Hinweise zum jüngsten BMF-Schreiben zu § 6b UStG

 

Die Konsignationslagerregelung beruht auf einer Neufassung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) und war zwingend in deutsches Recht umzusetzen. Zweck der Regelung ist die Vermeidung einer umsatzsteuerlichen Registrierung im Ausland. Unternehmer, die bei ihren Kunden Konsignationslager betreiben, mussten bislang mit Einlagerung regelmäßig einen innergemeinschaftlichen Erwerb durch Verbringen im Lagerstaat anmelden. Die anschließende Entnahme durch den Kunden stellte schließlich eine dort steuerpflichtige Lieferung dar. Diesem Registrierungserfordernis wirkt die Neuregelung entgegen.

 

Anhand des nachfolgenden Beispiels werden einführend die Folgen einer Einlagerung in ein Konsignationslager vor und nach der Einführung des § 6b UStG zum 1.1.2020 dargestellt.

 

Beispiel Einlagerung in ein deutsches Konsignationslager

 

Der Automobilzulieferer P aus Polen betreibt ein Konsignationslager beim Automobilhersteller D in Deutschland. Im Januar versendet P Teile ins Lager, die im April von D entnommen werden.

 

Umsatzsteuerliche Folgen bis 31.12.2019

 

Bis 31.12.2019 hing die umsatzsteuerliche Würdigung des obigen Beispiels davon ab, ob D als feststehender Abnehmer angesehen werden konnte oder nicht. Die Voraussetzungen hierfür wurden zunächst vom BFH aufgestellt und von der Finanzverwaltung in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) übernommen (UStAE 1a.2 Abs. 6 Satz 5).

 

Insbesondere kann von einem feststehenden Abnehmer ausgegangen werden, wenn der Abnehmer die Ware bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat.

 

Sofern D nicht als feststehender Abnehmer anzusehen war, verwirklichte P mit der Einlagerung einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland durch Verbringen. Er musste sich hierfür in Deutschland für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen und den innergemeinschaftlichen Erwerb in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar anmelden. Die Entnahme im April führte dazu, dass P eine in Deutschland steuerpflichtige Lieferung an D ausführte. Er musste D eine Rechnung mit deutschem Umsatzsteuerausweis ausstellen, bzw. die Gutschrift des D an P nach Entnahme musste Umsatzsteuer gesondert ausweisen. P hatte die Lieferung in der Umsatzsteuer-Voranmeldung April anzumelden. D stand der Vorsteuerabzug hieraus zu.

 

Sofern D ein feststehender Abnehmer war, konnte aus Vereinfachungsgründen bereits im Zeitpunkt der Einlagerung von einem innergemeinschaftlichen Erwerb durch D ausgegangen werden. D meldete im Voranmeldungszeitraum Januar einen innergemeinschaftlichen Erwerb mit korrespondierendem Vorsteuerabzugsrecht an. P musste D eine Rechnung über eine innergemeinschaftliche Lieferung ohne Umsatzsteuerausweis ausstellen. Eine Registrierungspflicht in Deutschland war für ihn nicht erforderlich. Die Entnahme im April führte nicht zu umsatzsteuerlichen Verpflichtungen.

 

Umsatzsteuerliche Folgen ab 01.01.2020

 

Seit 1.1.2020 ist nun vorrangig die Regelung des § 6b UStG zu prüfen. Die Vorrangigkeit legte das BMF ausdrücklich im BMF-Schreiben fest und integrierte sie in UStAE 1a.2 Abs. 6 Satz 5. Lediglich dann, wenn § 6b UStG nicht greift, finden die bisherigen, unter 1.1 dargestellten umsatzsteuerlichen Folgen – und damit auch die Abgrenzung zwischen feststehendem und nur wahrscheinlichem Abnehmer – weiterhin Anwendung.

 

Praxishinweis

 

Auch wenn der Abnehmer bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat, kann § 6b UStG dennoch Anwendung finden, wenn dessen weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Faktisch liegt damit ein Wahlrecht vor, ob von § 6b UStG Gebrauch gemacht wird oder nicht.

 

Steuern lässt sich dieses Wahlrecht beispielsweise durch Nichterfüllung der Aufzeichnungspflichten des § 22 Absatz 4f UStG, die für die Anwendung des § 6b UStG zwingend erforderlich sind.

 

Sind im oben genannten Beispiel die Voraussetzungen des § 6b UStG erfüllt, führt das Versenden/die Beförderung ins Lager im Januar zu keinen umsatzsteuerlichen Verpflichtungen des P in Deutschland. P muss dieses lediglich in Polen als Vorgang in seiner Zusammenfassenden Meldung (ZM) melden, der der Konsignationslagerregelung unterliegt.

 

Im April mit Entnahme durch D ist schließlich von einem innergemeinschaftlichen Erwerb durch D auszugehen. P muss D eine Rechnung bzw. D dem P eine Gutschrift über eine innergemeinschaftliche Lieferung ohne Umsatzsteuerausweis ausstellen. D muss in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für April einen innergemeinschaftlichen Erwerb melden.

 

Vergleich der beiden Ansätze

 

Bei einer Direktlieferung an den feststehenden Abnehmer liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung im Zeitpunkt des Transportbeginns ins Lager vor. Bei Anwendung des § 6b UStG führt dieser Transport hingegen nur zu Aufzeichnungs- und Anmeldungspflichten. Zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung kommt es erst im Entnahmezeitpunkt. Damit entspricht § 6b UStG der handelsrechtlichen Vorgehensweise im Gegensatz zur Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung.

 

Die Anwendung des § 6b UStG ist von einer Vielzahl von einzelnen Voraussetzungen sowie etlichen Formalien abhängig, die im Zeitpunkt des Transportbeginns nicht zwingend rechtssicher einschätzbar sind. So kann es dennoch später zu Registrierungspflichten und Verpflichtungen im Ausland kommen.

 

Wann der Abnehmer als feststehender Abnehmer angesehen werden kann, ist – trotz der von BFH und Finanzverwaltung (siehe UStAE 1a.2 Abs. 6 Satz 4 und UStAE 3.12 Abs. 3) aufgestellten Kriterien – nicht immer zweifelsfrei.

 

Soll von der Vereinfachungsregelung ohne Anwendung des § 6b UStG Gebrauch gemacht werden, ist deshalb auf eine eindeutige vertragliche Gestaltung zu achten.

 

Die Voraussetzungen des § 6b UStG im Detail

 

Die umsatzsteuerlichen Folgen ab 01.01.2020 des § 6b UStG können nur eintreten, sofern dessen – umfangreiche – Voraussetzungen erfüllt sind. Bislang waren hier viele Einzelaspekte strittig. Dem konnte das BMF mit seinem Anwendungsschreiben weitestgehend abhelfen. Nachfolgend werden die einzelnen Voraussetzungen unter Berücksichtigung des BMF-Schreibens veranschaulicht.

  • Grenzüberschreitender innergemeinschaftlicher Transport durch den Unternehmer: Keine Anwendung findet die Regelung bei Transport durch den künftigen Abnehmer oder bei Transport über eine Drittlandsgrenze.
  •  Vereinbarung zwischen Unternehmer und Abnehmer: Des Weiteren müssen der Unternehmer und der Abnehmer eine Vereinbarung geschlossen haben. Dementsprechend soll nach dem Ende des Transports eine Lieferung (Verschaffung der Verfügungsmacht) an den Abnehmer erfolgen. Die Vereinbarung muss den vollständigen Namen, die vollständige Anschrift sowie die dem Abnehmer vom Bestimmungsstaat mitgeteilte USt-Ident-Nr. enthalten.
  •  Verbleib des Gegenstands im Bestimmungsstaat, Anforderung an das Lager: Der Gegenstand muss im Bestimmungsstaat vom Zeitpunkt der Einlagerung bis zur Entnahme verbleiben. Unschädlich sind folgende Transportvorgänge nach der Einlagerung: Transport durch den Erwerber in einen anderen Staat nach Entnahme oder Transport in ein anderes Lager, dass die Voraussetzungen des § 6b UStG erfüllt, im selben Staat.
  • Keine Ansässigkeit des liefernden Unternehmers im Bestimmungsstaat: Der liefernde Unternehmer darf im Bestimmungsstaat nicht ansässig sein. Ansässigkeitskriterium sind Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Geschäftsleitung, Sitz oder umsatzsteuerliche Betriebsstätte.

Für eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte gelten die gleichen Definitionen wie für die Ortsbestimmung. Demnach bedarf es einer festen Einrichtung von gewisser Beständigkeit, die über einen ausreichenden Mindestbestand an Personal und Sachmitteln verfügt, um Leistungen autonom erbringen zu können. Kriterien sind insbesondere, wenn

  • aufgrund der Anzahl der Beschäftigten Verträge geschlossen werden können,
  • Rechnungslegung und Aufzeichnungen dort erfolgen und
  • von dort aus Entscheidungen getroffen werden.

Die Regelung zielt lediglich auf die Ansässigkeit ab. Eine umsatzsteuerliche Registrierung ist unschädlich.

  • Verwendung der USt-Ident-Nr. durch den künftigen Abnehmer: Bis zum Beginn des Transports muss der Abnehmer gegenüber dem liefernden Unternehmer seine vom Bestimmungsstaat erteilte USt-Ident-Nr. ausdrücklich verwendet haben.

Eine Ansässigkeit des Erwerbers im Bestimmungsstaat ist nicht erforderlich! Es genügt dessen umsatzsteuerliche Registrierung, die sich durch die erteilte USt-Ident-Nr. ausdrückt.

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