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Bürgerliche Kleidung im Steuerrecht

Die Finanzverwaltung regelt in R 9.1 Abs. 2 LStR zur Geltendmachung der Aufwendungen für Kleidung als Betriebsausgabe oder Werbungskosten,

  • Aufwendungen für Kleidung unterfallen grundsätzlich unter den Anwendungsbereich des § 12 Nr. 1 EStG und sind als Aufwendungen für die Lebensführung nicht abzugsfähig
  • Anders sei dies nur bei Aufwendungen für typische Berufskleidung, die in voller Höhe abziehbar seien.

In der Literatur wurde dahingehend diskutiert, ob die Aufgabe des sog. Aufteilungsverbots durch den Großen Senat des BFH (Beschluss v. 21.9.2009 ‐ GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) auch in Fragen der Abzugsfähigkeit von „nichttypischer“ Berufskleidung durchschlage. 

 

Nach dem Beschluss des Großen Senats steht die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG einer Aufteilung von gemischtveranlassten, aber anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht entgegen.

 

BFH entscheidet im Fall "Trauerredner"

 

In seinem Urteil vom 16. März 2022 – VIII R 33/18, BStBl II 2022, 614 hat der BFH nun zu Frage des Aufteilungsverbots bei dem (berufstypischen) Tragens bürgerlicher Kleidung Stellung genommen.

 

Sachverhalt

Der Kläger A war als selbständiger Trauerredner und Trauerbegleiter tätig und hatte seine Ehefrau B ab dem September 2008 als Trauerrednerin angestellt. Nach Auffassung des Klägers werde das Tragen schwarzer Kleidung von einem Trauerredner zwingend erwartet. Es handele sich deswegen um typische Berufskleidung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG. Die Einordnung der schwarzen Kleidung als berufstypische Kleidung sei nicht aus deren Beschaffenheit, sondern aus dem zwangsläufigen Verwendungszweck und der mit diesem Zweck verbundenen Funktion abzuleiten.

 

Entscheidung des BFH

Der VIII. Senat entschied, zwar sei die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG entsprechend im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs anwendbar, jedoch umfasse „typische Berufskleidung“ im Sinne der Norm nur Kleidungsstücke, „die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind bzw. bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion, wie zum Beispiel bei Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme oder durch ihre Schutzfunktion – wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen o. Ä. – folgt.“

 

Der schwarze Anzug sei daher keine typische Berufs‐ sondern bürgerliche Kleidung. Solche Aufwendungen für bürgerliche Kleidung seien jedoch Kosten der Lebensführung, welche nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG selbst dann nicht abzugsfähig seien, wenn sie zugleich der Förderung des Berufs dienen. Ein Aufteilungsgebot nach beruflicher Nutzung käme selbst bei einem erhöhten, beruflich veranlassten Verschleiß nicht in Betracht.

 

Achtung: BFH hält seine ältere Rechtsprechung für überholt!

 

Die obigen Urteilsgrundsätze dürften mittlerweile als gemeinhin bekannt gelten. In der Praxis ist jedoch ein weiterer wichtiger Punkt der Urteilsbegründung bis dato relativ unbeachtet geblieben: Der BFH erklärt in einem Atemzug mehrere ältere Entscheidungen zur Qualifikation „bürgerlicher“ Kleidung als typische Berufskleidung für überholt, nämlich 

  • den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters
  • die schwarzen Hosen eines Oberkellners
  • den schwarzen Anzug eines Geistlichen.

 

Praxisfolgen

 

Im Kern stellt sich somit – nach wie vor – die Frage, wann typische Berufskleidung vorliegt.

 

Nach der Entscheidung des BFH ist typische Berufskleidung solche Kleidung,

 

  • die aufgrund ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche/betriebliche Nutzung bestimmt und geeignet und für die Berufsausübung nötig ist bzw.
  • bei der die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion (wie z.B. bei Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme) oder durch ihre Schutzfunktion (z.B. Schutzanzüge, Arbeitsschuhe) folgt.

 

Hinweis:

Nach R 9.1 Abs. 2 S. 2f. LStR geht der Charakter typischer Berufskleidung nicht verloren, wenn sie in geringem Umfang ‐ also zu weniger als 10 % nach Zeitanteilen privat getragen wird.

 

Bei typischer Berufskleidung können auch Reinigungskosten inklusive anteiliger AfA für die Waschmaschine als WK/BA geltend gemacht werden (H 9.12 LStH ‐ Berufsbekleidung).

 

Kleidung wird jedoch nicht allein dazu zu einer typischen Berufskleidung, dass diese tatsächlich nur bei der Berufsausübung getragen wird und die Anschaffung nahezu ausschließlich beruflich veranlasst war.

 

Hinweis:

Ist eine private Nutzung als bürgerliche Kleidung theoretisch nicht auszuschließen, so scheidet nach der aktuellen Rechtsprechung eine steuerliche Geltendmachung aus! Schließlich ist auch erhöhter beruflicher Verschleiß bei bürgerlicher Kleidung nicht steuerlich berücksichtigungsfähig.

 

In nachfolgenden Fällen wurde (teilweise) durch die Finanzverwaltung ‐ auch auf Grund nunmehr überholter Rechtsprechung – ein Abzug als Betriebsausgabe oder Werbungskosten zugelassen, so zum Beispiel:

  • dienstliche Verpflichtung bestimmter Kleidung (Schwarzer Anzug, Tracht) im Servierbereich;
  • schwarzer Anzug eines Leichenbestatters
  • Weißes Hemd und weiße Krawatte eines Richters
  • Weißer Kittel eines Arztes
  • Ausgehuniform bei Bundeswehr und Polizei

Durch die aktuelle (im BStBl. II veröffentlichte) Entscheidung des BFH dürften zukünftig nur noch der Arztkittel (dieser nicht anstelle der sonstigen bürgerlichen Kleidung, sondern über ihr getragen) sowie die Ausgehuniform

begünstigungsfähig sein.

 

Beachten Sie: Die Rechtsprechung schlägt auf eine Vielzahl von Lebenssachverhalten durch:

  • „Birkenstock‐Schuhe“ im medizinischen Bereich etc.
  • Weiße Socken und Hosen Arzthelfer/‐in
  • Sportbekleidung incl. Schuhe eines (Tennis‐)Lehrers
  • Jegliches „Business‐Outfit“ (auch bei dienstlicher/beruflicher Anweisung)

 

Quintessenz

 

Meiner Meinung nach ist es auch irrelevant, ob die entsprechend Kleidung nur im Fachhandel für Berufsbekleidung erworben werden kann. Um es ganz deutlich zu sagen, ein „Engelbert‐Strauss‐Sticker“ reicht als Qualifikation für eine Berufskleidung nicht aus 😉

 

Die aktuelle BFH‐Rechtsprechung führt zu einer deutlichen Reduzierung der Möglichkeiten, Anschaffungskosten für Kleidung steuerlich als Betriebsausgabe oder Werbungskosten geltend zu machen. Ob ein Schriftzug am Kragen oder ähnlichen Branding hier eine Geltendmachung immer gewährleistet, bleibt offen.

 

Damit verbunden ist im Übrigen auch die Möglichkeit des Abzugs von entsprechenden Reinigungskosten bezogen auf die Berufsbekleidung.